Ein Geschenk von Keith Haring

Ich hab jetzt schon wieder die Nase voll von überfüllten Einkaufszentren und Geschenkelisten im Internet und in Magazinen, die mir sagen sollen, dass ich meinen Liebsten vergoldete Eierbecher oder Luxus-Duftkerzen zu Weihnachten schenken soll. Noch sage ich: Bevor ich mal Duftkerzen verschenke, verschenke ich eher Freikarten für die Autobahntoilette (die Idee gehört allerdings nicht mir, sondern Helge Schneider).

Keith Haring: Nina's Book of little thingsBilder von Amazon

Was mir heute allerdings eine kleine Träne ins Auge trieb, irgendwo auf einem überfüllten Weihnachtsmarkt: Keith Harings Buch „Ninas Buch der kleinen Dinge“. Der Künstler Haring gestaltete es 1988, um es der siebenjährigen Nina Clemente zum Geburtstag zu schenken. Es war ein Buch, in dem sie frei zeichnen, kleben und ausprobieren sollte. Aus dem Kind aus der Künstlerszene New York Citys ist mittlerweile eine Edel-Köchin mit Anthropologie-Abschluss geworden, Haring hat unsere Welt im Jahre 1990 verlassen, lange bevor Keri Smith ganz ähnliche, aber ebenso wunderschöne Scrapbücher auf den Markt warf.

Wann ich zum ersten Mal einen Haring sah, kann ich nicht mehr sagen, als Kind der 90er hatte ich das Gefühl, er – oder sein Erbe – war in meiner Kindheit allgegenwärtig. Wirre Linien, leuchtende Babys und comicartige Gemälde passten auch immer noch ein Jahrzehnt nach seinem Tod in die leicht geschmacksverwirrte, quietschbunte Zeit der Plateauschuhe und Love-Parade-Techno. Schätzen lernte ich ihn aber erst 20 Jahre später, in einer Ausstellung in der Hamburger Kunsthalle, wo man seinen legendären Pop Shop rekonstruiert hatte. Ich war fasziniert, denn erst jetzt verstand ich: Sein Laden, in dem er Merchandise wie T-Shirts und Buttons mit eigenen Motiven verkaufte, lag irgendwo zwischen Beuys und Warhol, zwischen Konsum, Kommerz und „Kunst für alle“ und verkörpert einen Geist, nach dem man im heutigen Kunst-Mainstream nur noch sucht.


KEITH HARING, THE MESSAGE – version intégrale von ARTECreative

Die obige arte-Dokumentation ist wohl eine der besten, die über den Workaholic Haring produziert wurden. Sie hält sich nicht mit nostalgischen Kindheitserinnerungen des Künstlers auf, sondern gibt gleich Einblick in die Zeit und die Stadt, die Haring am meisten geprägt haben: Das New York der 80er, mit all seinen Ängsten (nukleare Katastrophen, rätselhafte Tode durch die noch unentdeckte Krankheit AIDS, an der auch Haring schließlich sterben sollte), Parties und neuen Jugendkulturen (Graffiti, Rap, Breakdance). Mit dabei: Ein Interview mit der erwachsenen Nina Clemente. Sie hat ihr Geschenk 1994 zur Veröffentlichung freigegeben, um es auch anderen Kindern und Erwachsenen an die Hand zu geben. „Ninas Buch der kleinen Dinge“ ist ein Sammelalbum, in welchem die kleine Nina Dinge aufheben sollte, die ihr wichtig waren. Es ist auch noch jetzt, in der Neuauflage, ein zeitloses Skribbel-Album, in dem alles erlaubt ist.

Kommentare 4

  1. mia dylan 15. Dezember 2013

    oh, ninas book hab ich als ich klein war geschenkt gekriegt und geliebt, nachdem ich von einem (random) bild von ihm in einer (random) ausstellung so begeistert war. super! mit ihm als künstler müsste ich mich eigentlich auch mal auseinandersetzen, das hab ich ehrlich gesagt nie weiter vertieft. ich bin übrigens über deinen wg-amazed post auf dich gestoßen und dein blogzuhause macht einen sehr sympathischen eindruck (: helge schneider ? anti teure geschenke ? kunstartikel ?
    liebe grüße!

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