Spannender als Weihnachten

Irgendwann kommt der Punkt, an dem man alles, was man als Teenager misstrauisch beäugt hat, anfängt, gut zu finden: Pop und Pyrotechnik, Twitter und Deutsch-Rap. Ohne die Kraft von Bambule wäre ich in Valencia verzweifelt, ohne Chefkets Identitäter-EP hätte ich meinen Bachelor sicherlich nicht bestanden, Reime und Zeilen schleichen sich ein in Gedanken und Playlisten.
Können wir bitte über die letzten Monate sprechen? Die waren nämlich ein innerliches Fest, ein freudig-hibbeliges Warten von Release zu Release; spannender, als Weihnachten je wieder sein wird.
 


Fabian Römer feat. MoTrip: »Kalenderblätter« aus dem gleichnamigen Album

Fabian Römer, ehemals F.R., Braunschweiger, Geburtsjahr 1990, somit parallel wie ich in der gleichen Stadt aufgewachsen. Ein Hip-Hop-Wunderkind geschimpft, erstes Album 2004, im Zwei-Jahres-Takt immer neue Alben. 2011, dann: Stille. Vier Jahre lang Ruhe, kein Update. Ich hab’ still gehofft: Da kommt was Großes. Das Große kam, es heißt Kalenderblätter und ist sein bisheriges Meisterwerk, ein klangvolles Album, das seinen Hip-Hop-Hintergrund trotzdem nicht verneint. »Wenn wir nichts aus dem Staub machen können, schauen wir doch, dass wir etwas aus dem Staub machen können«: Eine musikalische Wiedergeburt nennt man das wohl. Römer macht sich weit auf, wagt den Sprung ins Private und nimmt Abstand zum jungen F.R., reflektiert in Songs wie »Dominoleben« das Auf und Ab der Generation Y. Und ein »Nur für uns«, das unbeschwert wie eine Ode an die Jugend daherkommt, wird in der letzten Minute entzaubert: Als Lehrstück über das Erwachsenwerden und Auseinanderleben.
 


Gold Roger: »MLXMLK« aus dem Mixtape? Album? Räuberleiter

Ein Künstler, der seinen Namen sicher nie in einem Atemzug mit Römer lesen möchte, aber weil mir das nunmal ziemlich schnuppe ist, bitteschön: Gold Roger hat Videobattleturniere wieder spannend gemacht. Der Dortmunder kam vor einem Jahr als Underdog mit seinem »Regenbogen-Zeckenrap« ins egobelastete Moment of Truth, überzeugte und steckte sich kurzerhand den Auftritt beim splash! ein. Nun ist Räuberleiter da, ein Release, bei dem Herr Goldstein kein Interview ungenutzt lässt, um zu betonen, dass es sich hierbei um kein Debütalbum, sondern um ein Mixtape/Straßenalbum/whatever handelt. Darauf präsentiert er einen Querschnitt aus seinem Leben, mit Tracks, die dringend eine Studio-Version verdient hatten und solchen, die es nun in der dritten Version gibt. Den roten Faden zwischen einzelnen Tracks fehlt bisweilen (deswegen vielleicht doch: kein Album), ist aber nicht schlimm, weil das Ganze leichtfüßig und gleichzeitig so clever daherkommt.
 


Chefket: »Rap & Soul« aus dem Album Nachtmensch

Als ich den Eintrag vorbereitete, kam neben dem nichtendenden Promo-Rummel um das MoTrip-Album die nächste Eilmeldung und brachte meinen Twitter-Feed zum explodieren: Lieblingsrapper Chefket releast ein neues Album. Es wird Nachtmensch heißen und erscheint im August. Dann bekommt mein Bachelor-Mantra »Jeder macht mal Fehler – außer mir. Ich sammle bloß Erfahrung« einen würdigen Nachfolger und ich kann mich hibbelig auf ein weiteres persönliches Fest in diesem Jahr freuen.

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