Ende des vergangenen Jahres schaute ich die Dokumentation über den DJ und Produzenten Mark Ronson. Wer Ronson nicht namentlich kennen sollte, kennt auf jeden Fall einen der Songs, die er produziert hat, er war unter anderem für Amy Winehouses Durchbruchalbum „Back to Black“ verantwortlich. Was mich an Mark Ronson so fasziniert, ist, dass er diese Coolness ausstrahlt, die nur gutaussehenden, weißen, cis Hetero-Männern so leicht gegeben ist. Außerdem scheint er seit Jahren nicht zu altern, ein Rätsel, das nach dem aufmerksamen Konsum der Dokumentation endlich gelöst ist, denn die optischen Gene der Familie Ronson sind einfach fantastisch. Eine andere Sache, die mich an Ronson und den meisten berühmten Produzenten interessiert, ist, dass sie – im Gegensatz zu den Menschen, für die sie arbeiten – wenig Interesse daran haben, im Rampenlicht zu stehen. Sie sind dafür da, die Visionen der Künstler*innen in eine angemessene Form zu gießen. Sie erschaffen einige der größten Popsongs unserer Zeit und agieren trotzdem weitestgehend im Verborgenen.
Mark Ronson erinnert mich an an einige gute männliche Freunde, die ich im Studium kennenlernte: Sie hatten einen feinen, trockenen Humor, trugen Kleidung, die so normcore war, dass sie darin gut aussahen, aber nicht so exzentrisch, dass sie irgendeiner Weise dafür besonders negativ oder positiv aufgefallen wären. Sie hatten nicht nur ein hohes Stilempfinden, sondern auch noch den nötigen Ehrgeiz, sich stundenlang zu Hause in etwas zu vertiefen und sich etwas Nerdiges (eine Programmiersprache, ein Programm, ein Tool) beizubringen, um die Visionen in ihrem Kopf zu verwirklichen. Sie waren für mich vom ersten Semester an perfekte Designer, während ich immer noch das Gefühl hatte, in allem, was ich tat, im Dunkeln zu tappen.
Noch eine Sache, sie sie mit Mark Ronson verband: Sie fielen ungern auf und taten sich damit schwer, Gefühle oder Emotionen in Worten zu kommunizieren. An diesem Punkt fängt auch die Dokumentation an, richtig spannend zu werden – nämlich wenn Ronson, der bis dato vor allem für tanzbare, aber lyrisch eher flache Retro-Soul-Funk-Popsongs bekannt ist (Uptown Funk, anyone?), nach seiner Scheidung nicht mehr in der Lage ist, „something fun“ zu schreiben, sondern in seinem Studio auf eigenartige Weise nur noch melancholische Melodien entstehen und er sich (als echter New Yorker natürlich in Zusammenarbeit mit seinem Therapeuten) seinen Gefühlen nähert: „We’d be writing these new songs. It was just like taking over me. I was like, ‚This is just happening. I am not going to fight it.‘ It certainly was, like, this is new, but it feels right and it feels what needs to be happening.“
Diese ganze Entwicklung ist für mich in dem Moment kondensiert, als Ronson nach einer Probe mit Liveband und Sängerin Lykke Li ins Auto steigt und nüchtern zugibt: „I’m just gonna need a hug at the end of this week.“ Diese coole Socke, die kurz vorher noch perfekt sozial funktioniert und an den richtigen Stellen ein ganzes Team zum Lachen gemacht hat, sitzt da nun auf dem Rücksitz, ein zusammengesunkener Mittvierziger, der sich sich nichts sehnlicher als eine Umarmung wünscht. Ich glaube, was mich daran so fasziniert, ist, dass er dort mit einem Satz ein zutiefst menschliches Gefühl – das Bedürfnis nach Nähe – kommuniziert, in einem Moment, in dem man als Zuschauer*in nicht damit rechnet.
Für mich gab es wohl keine so passende Metapher wie diese Szene für dieses verrückte Jahr, in dem ich so oft gern Menschen umarmt hätte, sie vor mir standen – ich es aber nicht durfte. Sie besuchen wollte – es aber es nicht durfte. Ich jedes Mal, wenn ich dieses blöde Zalando-Plakat mit der Zeile „Wir werden uns wieder umarmen“ am liebsten getreten hätte, wenn ich morgens daran vorbei radelte. Ich oft eine gute Umarmung am Ende einer stressigen Woche gebraucht hätte – aber dann niemand da war, der mich hätte umarmen können. Und dass ich damit nicht allein war – sondern dass so viele Menschen auf Social Media ebendieses Bedürfnis ebenfalls kommunizierten, ein bisschen mehr Verletzlichkeit zeigten – in Momenten, in denen man nicht damit gerechnet hatte, eigentlich eine berufliche Fassade hochhalten musste. Ein kollektives Dürsten nach Nähe, das sich im digitalen Raum abspielte, ein bisschen radical softness im Alltag. „I’m just gonna need a hug at the end of this week.“ ist mein #mood, mein persönliches Meme des Jahres.